17. Jahrhundert – bis ersten Hälfte 20. Jahrhundert

Im Jahre 1640 wurde im “Russischen Handelshaus” in Stockholm die erste russische orthodoxe Kirche Westeuropas geweiht. Auch in Königsberg, die Hauptstadt des Herzogtums Preußen (das heutige Kaliningrad), seit 1655 russische orthodoxe Gottesdienste stattfanden. Mit dem lebhafter werdenden Handel und diplomatischen Verkehr Russlands mit Ländern Westeuropas unter Peter I. entstanden in vielen Hauptstädten Europas anfangs russische orthodoxe Wanderkirchen und später ständige Kirchen. Im Jahre 1716 begann der Gottesdienst in der Kirche der russischen Botschaft in London, etwa im Jahre 1718 in Berlin und 1720 in Paris.

Der Bau russischer orthodoxer Kirchen in Europa nahm besonders in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu. Die Kirchen wurden mit dem Segen des St. Petersburger Diözesanbischofs gebaut, der das russische Kirchenleben in Westeuropa leitete. So wurde im Jahre 1855 in Wiesbaden die Hl.-Elisabeth-Kirche eingeweiht, 1861 in Paris die Kirche zur Heiligen Dreifaltigkeit und zum Heiligen Fürsten Alexander Newskij, 1866 in Genf die Kirche zur Kreuzerhöhung, 1874 in Dresden die Hl.-Simeon-Kirche, 1876 in Ems die Kirche zur Märtyrerin Kaiserin Alexandra, 1882 in Baden-Baden die Verklärungskirche, 1883 in Kopenhagen die Kirche zum Heiligen Fürsten Alexander Newskij, 1892 in Biarritz die Kirche zu Mariä Schutz und Fürbitte und zum Heiligen Fürsten Alexander Newski, 1899 in Wien die Hl.-Nikolaus-Kirche, 1902 – l903 in Florenz die Kirche zu Christi Geburt und zu Hl. Nikolaus, 1912 in Nizza die Kirche des Hl. Nikolaus und Märtyrerin Alexandra. Im Jahre 1833 wurde eine russische Hauskirche in Athen eröffnet, 1852 erstand die Russische Kirche dort die alte Dreifaltigkeits-Kirche. Alle diese Kirchen wurden errichtet, um den religiösen Bedürfnissen der in verschiedenen Ländern Europas ansässigen orthodoxen Russen zu genügen.

Unter den russischen Kircheninstitutionen in Westeuropa ist das Wirken der Orthodoxen Brüderschaft besonders zu erwähnen, die 1890 zu Ehren des Heiligen Fürsten Wladimir vom Vorsteher der Berliner Hl.-Wladimir-Kirche, dem Oberpriester Alexij Malzew, zur Unterstützung der Not leidenden russischen Staatsangehörigen und der Orthodoxen aller Nationen aus Berlin und anderen Orten Deutschlands gegründet wurde. Von 1890 bis 1914 errichtete das Baukomitee der Brüderschaft sieben Kirchen: in Tegel die Kirche zu Hl. Konstantin und Helene (geweiht im Jahre 1894) , in Bad Homburg die Allerheiligen-Kirche (1899), in Bad Kissingen die Kirche zum Heiligen Sergius von Radonesh (1901), in Herbersdorf die zum Erzengel Michael (1901), in Hamburg die Hl.-Nikolaus-Kirche (1901), in Bad Nauheim die Kirche des Hl. Innozenz von Irkutsk und Hl. Serafim von Sarow (1908) und in Bad Brückenau die Kirche zur Heiligen Maria Magdalena (1908).

Bis 1910 waren in den Ländern Europas etwa siebzig russische orthodoxe Kirchen entstanden, die Privatkirchen nicht mitgerechnet. Die Lage im ersten Weltkrieg (1914) und im Bürgerkrieg Russlands lockerte vorübergehend die Verbindungen zwischen der Russischen Orthodoxen Kirche und den russischen Gemeinden in den Ländern Westeuropas. Aber schon im März 1921 ernannte der Hochheilige Patriarch Tichon den Erzbischof von Wolhynien, Eulogius (Georgijewski), zum zeitweiligen Leiter der russischen Gemeinden in Westeuropa.

Nach dem ersten Weltkrieg wuchs die Zahl der russischen orthodoxen Kirchen in den Ländern Westeuropas bedeutend an. Der Bedarf an Priestern veranlasste den Metropoliten Eulogius, im Jahre 1925 in Paris eine russische orthodoxe theologische Hochschule zu eröffnen. Die durch den Krieg unterbrochene Tätigkeit der Wladimirbrüderschaft in Berlin kam wieder in Gang. Die Zahl der Bischöfe, die europäische Gemeinden der Russischen Orthodoxen Kirche leiteten, nahm zu. Leider aber kamen in den Beziehungen des Metropoliten Eulogius zu den obersten Kirchenleitung Schwankungen vor, weshalb er im Jahre 1931 in die Jurisdiktion des Patriarchats von Konstantinopel überging. Die Leitung der europäischen Gemeinden, die der Russischen Mutterkirche die Treue bewahrten, wurde damals vom Stellvertreter des Patriarchenstatthalters, Metropolit Sergius, dem Metropoliten Eleutherius (Bogojawlenski) von Litauen und Wilna anvertraut. Der Russischen Kirche treu blieb in Frankreich Bischof Benjamin (Fedtschenkow) mit einigen Geistlichen und einer großen Gruppe Gläubiger, in Deutsch1and der Vorsteher der Fürst Wladimir-Kirche in Berlin, Erzpriester G. Prosorow, mit der Gemeinde.

Seit jener Zeit nahm das kirchliche Leben in den europäischen Gemeinden, die der Russischen Mutterkirche die Treue bewahrten, allmählich feste Formen an. Im März 1931 wurde der Hauptaltar der russischen Dreiheiligenkirche in Paris geweiht. Im Juni 1935 gründete der russische Geistliche Michail Belski in Paris eine französische orthodoxe Gemeinde, die zu Ehren der Ikone Gottesmutter “Freude aller Trauernden” benannt wurde. Im Jahre 1936 wurde der ehemalige römisch-katholische Geistliche Luois-Charles Winaert in den Schoß der Orthodoxen Kirche aufgenommen war. Anfang 1937 auch seine Gemeinde, die in Paris die Himmelfahrtsgemeinde des westlichen Ritus bildete und der gegenwärtig der Archimandrit Dionysius Chambault vorsteht.

Im Dezember 1937 wurde die Dekanat der Westlichen Orthodoxen Gemeinden unter Leitung des Geistlichen M. Belski gegründet, im März 1939 aber entstand die einheitliche Dekanat der westeuropäischen Gemeinden der Russischen Orthodoxen Kirche unter Abt Stefan (Swetosarow). Im Jahre 1944 gründete der Geistliche Lucien Chambault, als Mönch Dionisius, die erste französische orthodoxe Mönchsgemeinschaft nach den Satzungen des Heiligen Benedikt von Nursia.

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